Die fliegenden Ärzte der Marine
Alexander Notopol
Ein interessanter und weitgehend unbekannter Umstand soll hier vorgestellt werden. Der Einsatz von Marineärzte als Flugzeugführer und Beobachter in der kaiserlichen Marinefliegertruppe.
Ein entsprechender Artikel das sich dieses Thema am Rande annimmt, ist vor einiger Zeit in dem Vereinsmagazin (Orden und Ehrenzeichen Nr. 117) der Deutsche Gesellschaft für Ordenskunde e.V. erschienen.
Zu Kriegsbeginn und im Jahr 1915 sah man bei der Marine die Verwendung von Ärzten bei der kämpfenden Truppe als unproblematisch. So kam es vereinzelt vor, dass Ärzte bei Fronteinsätze als Beobachter in Flugzeugen mitflogen. Der Bedarf an Beobachter war zu Kriegsbeginn sehr groß. Um den Bedarf zu decken wurden junge Offiziere von der Flotte, mit wenig Erfolg abgeworben. In diesem Zusammenhang kann man auch die Verwendung von Ärzten sehen, die sich sicherlich freiwillig meldeten.
Die hier genannten Marineärzte wurden 1915 als Beobachter ausgebildet und eingesetzt:
Marinestabsarzt (Mar.Stb.Arzt) Dr. Alfred Meyra (genannt Meyr) (Beobachterabzeichen am 05.07.1915)
Marineoberassistenzarzt (Mar.Ob.Ass.Arzt) Dr. Franz Perlia (Beobachterabzeichen am 05.07.1915)
Marineoberassistenzarzt (Mar.Ob.Ass.Arzt) Dr. Hermann Schwalb (Beobachterabzeichen am 21.08.1915)
Ebenfalls als Beobachter 1915 bei der I. See-Flieger-Abteilung (I. SFA) flog der Marineassistenzarzt (Mar.Ass.Arzt) Dr. Martin Franke
Im Laufe des Jahren 1915 kam es zum Umdenken bei der Marineführung was den Einsatz von Ärzte bei der kämpfenden Truppe angeht. Es zeichnete sich ab, dass der Feind an der Ostfront dieses Vorgehen als eine Verletzung der Genfer Konvention ansehen würde und im Falle einer Gefangennahme zu Erschießungen kommen könnte.
Als Folge entschied der Befehlshaber der Marine-Luftfahr-Abteilung (B.d.L.) am 03. September 1915 den Einsatz von Ärzte als Beobachter in den Kriegsgebieten, wo die Möglichkeit der Gefangennahme bestand, bis zur Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen, zu verbieten.
Für die Mar.Ob.Ass.Arzt Dr. Perlia und Mar.Ass.Arzt Dr. Franke, die bei der I. SFA eingesetzt waren, bedeutete es vorläufig das Ende als Beobachter.
Perlia, der an Bord des Flugzeugmutterschiffes Glyndwr als Schiffsarzt und Beobachter und bei der SFS Libau flog, wurde im Oktober 1915 zum Festungslazarett Wilhelmshaven kommandiert.
Franke, der bei der SFS Putzig Frontaufklärung über der Ostsee flog, wurde im September 1915 als Hilfsarzt auf die SMS Preußen abkommandiert und kehrte später als Arzt zur Marinefliegertruppe zurück. Flog aber nicht mehr als Beobachter.
Bei der II. SFA wurde ein solches Vorgehen des Feindes für unwahrscheinlich erachtet. Ungeachtet dessen wurde Mar.Ob.Ass.Arzt Dr. Schwalb (SFS Borkum), der sich noch in der Ausbildung befand, vorerst nicht weiter als Beobachter eingesetzt, und der Mar.Stb.Arzt Dr. Meyr wurde im Oktober 1915 als Kpt.Lt.d.R.M.A. eingestellt und später am Schwarzen Meer als Beobachter und Stationsleiter eingesetzt.
An dieser Stelle sollten die beiden Marineärzte, die zum Flugzeugführer ausgebildet wurden nicht unerwähnt bleiben.
Mar.Ass.Arzt Robert Ullmann (Seefliegerabzeichen am 29.03.1916)
Mar.Ob.Ass.Arzt Dr. Albert Reusch (Landfliegerabzeichen am 09.06.1917)
Wann genau die rechtliche Beurteilung abgeschlossen wurde und wie sie ausfiel, konnte nicht ermittelt werden.
Nichtdestotrotz kann das Ergebnis anhand der Daten nachvollzogen werden. Neben den hier erwähnten Ärzte wurden keine weiteren als Beobachter eingesetzt. Die Ärzte die weiter als Beobachter oder Flugzeugführer eingesetzt wurden, wurden in der Offizierslaufbahn übernommen, wodurch das Dilemma umgangen wurde.
Mar.Stb.Arzt Dr. Meyr wurde am 20.10.1915 als Kpt.Lt.d.R.M.A. mit Patent vom 22.03.1914 eingestellt.
Mar.Stb.Arzt Dr. Schwalb wurde am 13.07.1916 als Kpt.Lt.d.R.M.A. eingestellt.
Mar.Stb.Arzt Dr. Prelia praktizierte als Arzt im Festungslazarett und kehrte erst im April 1917 zur II. Marine-Feldflieger-Abteilung in Flandern zurück. Er wurde nicht in die Offizierslaufbahn übernommen.
Sollten Sie Bilder der hier vorgestellten Personen besitzen, würde ich mich sehr über eine Nachricht freuen.
Mar.Ob.Ass.Arzt Dr. Hermann Schwalb mit Marinebeobachterabzeichen, 1915
Kpt.Lt.d.R.M.A. Dr. Alfred Meyr mit Marinebeobachterabzeichen, 1917
Marinebeobachterabzeichen aus dem Besitz von Dr. Meyr.
Rückseitig mit Träger Widmung "A. Meyr" "II. MFA"