Herkunft und Kindheit
Wilhelm Mattheus wurde am 2. Januar 1888 in Eisenach, im damaligen Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, als Sohn von Theodor Mattheus und dessen Ehefrau Käthe (geb. Schaffner), geboren. Der Vater war Hoflieferant und betrieb ein Hotel in Eisenach. Nach dem Besuch des Gymnasiums nahm Mattheus ein Studium auf und wurde anschließend Lehrer an einer Privatschule in Oldenburg/i.O.
Beginn der Fliegerlaufbahn
Die fliegerische Laufbahn von Wilhelm Mattheus ist eng mit der des berühmten Jagdfliegers Theodor Osterkamp verknüpft. Beide begannen zur gleichen Zeit ihre Ausbildung und durchliefen dieselben Stationen. Zwischen ihnen entwickelte sich eine enge Freundschaft.
Im Januar 1915 wurde Mattheus zum Freiwilligen-Marinefliegerkorps (F.M.F.) nach Johannisthal berufen. Dort begann er die Ausbildung zum Flugzeugführer. Bereits am 14. Februar 1915 absolvierte er seinen ersten Flug gemeinsam mit Theo Osterkamp. In den darauffolgenden Tagen unternahmen beide mehrere Schulungsflüge zusammen.
Nach Abschluß der Fliegerausbildung wurde Mattheus, zusammen mit Osterkamp, Ende März 1915 zur Festungsflugstation (LFS) Wilhelmshaven kommandiert. Leiter der Station war der Flugveteran Lt.d.R.a.D. Ellery von Gorrissen (Flugschein #4 am 21. Apr. 1910), der zuvor die Fliegerschule beim F.M.F. leitete. Hier absolvierten beide ihre ersten Einsätze und sammelten erste praktische Erfahrungen. Ebenfalls im März erfolgte seine Beförderung zum Bootsmannsmaat. Am 12. Mai 1915 wurde ihm das Landfliegerabzeichen verliehen - eine offizielle Anerkennung als ausgebildeter Flieger.
Mattheus im Cockpit der LVG B.II, Kennung S 98 bei der LFS Wilhelmshaven (1915). Mit dieser Maschine flogen Mattheus(F) / Osterkamp(B) einige Einsätze.
Erste Frontbewährung und Verwundung
Am 20. Mai 1915 wurde Mattheus als Ersatz für den Bts.Mt.(F) Gutschmidt zur 2. Marine-Landflieger-Abteilung (2. MLFA) nach Moorseele bei Ypern kommandiert. Osterkamp folgte ihm einen Monat später. Auch an der Flandernfront blieben beide ein bewährtes Fliegerpaar.
Am 7. Juni 1915 wurde Mattheus bei einem Luftkampf verwundet, konnte das Flugzeug jedoch trotz Verletzung sicher landen. Am 12. Juni 1915 wurde ihm für diese Leistung das Eiserne Kreuz 2. Klasse verliehen.
Zu dieser Zeit diente auch der spätere Pour-le-Merite-Träger Gotthard Sachsenberg als Beobachter in derselben Einheit.
Mattheus (links) und Osterkamp (rechts) vor dem Flug. Aufgenommen 1915 bei der 2. MLFA
Lt.d.R.M.A.(B) Theo Osterkamp und Lt.d.R.M.A.(F) Willi Mattheus bei der 1. MFFA
Aufstieg in der Marinefliegerei
Nach vielen erfolgreichen Einsätzen bei der 2. MLFA wurde Mattheus im November 1915 der 1. Marine-Feldflieger-Abteilung (1. MFFA) zugeteilt, wo er fast zwei Jahre lang diente. Der Flugplatz befand sich bei Mariakerke nahe Ostende. Dort bewährte er sich in zahlreichen Einsätzen und stieg innerhalb weniger Monate zum Offizier auf:
- 27. November 1915: Beförderung zum Vz.Fl.Mst.d.R.
- 20. Juli 1916: Beförderung zum Lt.d.R.M.A.
Personal der 1. MFFA mit Armeeflieger
(2) Willi Mattheus; (7) Theo Osterkamp
Schon bald darauf wurde er für das Eiserne Kreuz 1. Klasse vorgeschlagen. Zu der Zeit hatte er bereits mehr als 100 Flüge über dem Feinde ausgeführt. Er bewies großen Schneid bei zahlreichen Bombenflüge bei Tag und Nacht und flog seine Maschine auch in schwierigen Situation ruhig und besonnen, was bei Photoflügen unerlässlich war. Das Kreuz konnte er kurze Zeit später im Januar 1916 in Empfang nehmen.
Am 6. September 1916 schoß die Besatzung Mattheus(F) / Osterkamp(B) während eines Fotofluges mit dem LVG C.I, Kennung LF 143B, eine französische Farman Maschine ab, vermutlich eine F.40. Dieser Abschuß wurde für beide als 1. Abschuß bestätigt. Der vollständige Bericht über den Ablauf des Fluges, verfasst vom Osterkamp am 8. September, ist erhalten und wird dem Artikel beigefügt:
Am 6. September 1916, mittags 12 Uhr startete das Flugzeug L.F. 143b, Führer Lt.d.R. Mattheus, Beobachter Lt.d.R. Osterkamp mit dem Auftrage, die Batteriestellungen um Ramscappelle zu
photographieren. In 3000 m versuchten wir die Front zu überschreiten, kehrten aber bald wieder um, da 4 feindliche Maschinen in gleicher Höhe, 3 weitere ca. 6-800 m höher als wir Sperre flogen.
Darauf machten wir über deutschem Gebiet weiter Höhe in der Absicht, später in größerer Höhe nochmals zu versuchen, den Auftrag auszuführen. Bald darauf, wir befanden uns jetzt in ca.3400m Höhe, sahen wir jedoch ein anderes Photographier-Flugzeug von uns ca. 300m unter uns durchfliegen und die Front überschreiten. In der Annahme, daß dieser die höher befindlichen feindlichen Maschinen nicht gesehen hatte und wir ihn gegenüber 7 feindlichen Maschinen nicht allein lassen wollten, überschritten wir nun auch die Front. Dabei flogen wir unter 2 von den feindlichen Maschinen hindurch, die, wie ich jetzt erst feststellen konnte, mindestens 4000m hoch waren. Einmal drüben, begannen wir zu photographieren, jedoch nach der ersten Aufnahme klemte der Schlitzverschluß der Kamera, an dem, wie sich nachher herausstellte,ein Schräubchen sich gelockert hatte. Wir blieben aber drüben, um die andere Maschine zu beschützen, die weiter südlich flog und nahmen eben Kurs auf sie zu, als wir sahen, wie ein Farman im Sturzflug auf sie los ging. Der Beobachter des anderen Flugzeuges, Lt.d.R. Jlges, (Führer Fl.Mt. Brandt) hatte schon nach wenigen Schüssen Ladehemmung und versuchte schleunigst die deutsche Linie wieder zuerreichen. Wir gingen nun stark drückend auf den Farman los, um ihn anzugreifen und kamen rasch auf, (L.V.G. kann nach vorn durch die rechte Zelle feuern).
Bald auf Schußweite herangekommen, wollte ich eben mit Feuern beginnen, als ich mit einem ganz zufälligen Seitenblick einen anderen Farman dicht rechts über uns sah. Rasch schwenkte ich das M. G. herum und feuerte -vorbeizuschießen war beinahe nicht möglich, so nahe war der Feind -.
Bereits nach schätzungsweise 5-10 Schuß stand der feindliche Apparat plötzlich steil in der Kurve und stürzte dann rechts unter unserem Schwanz durch ca. 100-200m senkrecht ab. Dann fing sich die Maschine wieder, richtete sich steil auf, bis das Vorderteil ganz nach oben stand, rutschte über einen Flügel und fiel dann immer von einer Seite auf die andere pendelnd, langsam zu Boden. Jetzt wendeten wir unsere Aufmerksamkeit wieder dem Gegner vorn zu, doch dieser, wahrscheinlich durch unser M.G.-Feuer aufmerksam gemacht, hatte inzwischen von der anderen Maschine abgelassen und war uns ausgewichen. Nach langem Suchen entdeckte ich dann den abgeschossenen Feind wieder, der schon tief unten war, aber immer noch hin und her pendelte und schliesslich in J24 hinter einem Erdwall oder Gesträuch verschwand, sodass nicht einwandfrei festgestellt werden konnte, ob. er dort zertrümmert ist. (Dort ist kein Flugplatz in der Nähe). Ein sofort nachmittags unternommener Photographierflug, um ihn an der Absturzstelle zu photographieren, scheiterte nach 2 vergeblichen Anläufen an der feindlichen Sperre, da die zur Begleitung mitgegebenen Kampfflugzeuge nicht zur Stelle waren und ich allein in folgedessen nicht hingelangen konnte. 2 Gefreite vom Artilleriemeßtrupp 20, die sich zu der Zeit auf Beobachtungsstelle "Steinhaufen" auf Beobachtung befanden, sagen aus, den Luftkampf und das Niedergehen des feindl. Flugzeuges beobachtet zu haben. (Gefreiter Groote und vom Hofe- siehe Anlage). Außerdem sagten Leute, die am selben Abend aus der vordersten Stellung kamen, daß sie um l Uhr mittags den Luftkampf angesehen und bemerkt hätten, daß plötzlich ein Flugzeug abgestürzt sei. Die Namen der Leute waren nicht festzustellen. Erkundigungen, die ich selbst sonst in den Schützengräben vor Schorbakke einzog, ergaben nur, daß mehrere das kurze Knattern gehört, aber bei dem herrschenden Dunst nichts gesehen hatten.
gez. Osterkamp
Leutnant d. R. M. A.
Am 22. Januar 1917 wurde Mattheus das Ritterkreuz mit Schwertern des Hausorden von Hohenzollern, eine der höchsten preußischen Tapferkeitsauszeichnungen, verliehen. Wenige Monate später, am 19. April 1917, erhielt er zudem auch den Ehrenpreis für den Abschuß.
Ritterkreuz mit Schwertern des Hausorden von Hohenzollern
Im Juni 1917 erfolgte seine Kommandierung zur Marine-Feldjagdstaffel 1 (MFJ 1), der ersten reinen Jagdstaffel der Marine. Dort trat er unter dem Kommando von Lt.z.S. Gotthard Sachsenberg.
Hier traf er auch Theo Osterkamp wieder, der die 1. MFFA einige Monate zuvor verlies um seine Ausbildung zum Flugzeugführer zu absolvieren, und der Staffel im März 1917 beitrat. Seine Erfolge als Jagdflieger dokumentiert der 2. bestätigte Abschuß am 29. Juli 1917. Die Besatzung Lt. W.M. Roskelly(F) und Lt. H.Q. Nickalls(B) vom 52. Squadron der RAF starb dabei.
Seine Erfolge wurden auch in der Heimat verfolgt. Am 29. August 1917 verlieh ihm der Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar-Eisenach das Ritterkreuz 2. Klasse mit Schwertern des Hausordens vom Weißen Falken.
Tod und posthume Ehrung
Am 28. Dezember 1917 wurde Mattheus bei einem Luftkampf mit 3 Sopwith Camel nördlich von Boesinghe durch einen Brustschuss schwer verwundet. Dennoch gelang es ihm das Flugzeug bei Klerkem sicher zu landen - eine letzte fliegerische Meisterleistung. Trotz aller Bemühungen verstarb er am 16. Januar 1918 im Feldlazarett 265 an den Folgen seiner Verwundung. Sein Grab befindet sich auf dem deutschen Soldatenfriedhof Vladslo in Belgien. Er hinterließ eine Tochter (Hilde).

Grab von Willi Mattheus
Im April 1918, drei Monate nach seinem Tod, wurde Wilhelm Mattheus posthum mit dem Friedrich-August-Kreuz 2. und 1. Klasse des Großherzogtums Oldenburg ausgezeichnet - ein seltener Fall doppelter Verleihung beider Klassen in einem Zug.
Seine Karriere - vom einfachen Flieger zum hochdekorierten Offizier - steht beispielhaft für viele Männer dieser Zeit, deren Mut, Ehrgeiz und Opfer heute nur noch wenigen bekannt sind. Sein Name verdient es, in Ehren bewahrt zu werden.
Vergleich der Laufbahn Mattheus und Osterkamp