Brieftauben und Seeflieger

(kurze Zusammenstellung von Berndt Borrmann)

Brieftauben wurden bereits sehr früh in der Geschichte für Nachrichtenübermittlung genutzt.
Anfang der 1870er Jahre gab es in Süddeutschland Zuchtvereine, die eine enge Zusammenarbeit mit dem Kriegsministerium anstrebten.
So gaben die Züchter regelmäßig Ergebnisse über geleistete Flüge über längere Strecken bekannt und bewerteten diese.
Um gesetzliche Reglungen für den Taubensport zu schaffen, nutzten die Vereine der Züchter alle Möglichkeiten. Ging es doch auch um den freien Transport des Begleiters per Bahn zum Auflassort. Selbst der Wunsch nach staatlichen Medaillen für den Sport und der Schutz der Tauben vor Greifvögeln sowie deren Abschuss wurde vorgetragen.
Am 13.01.1884 wurde dann der Verband deutscher Brieftauben-Liebhaber-Vereine gegründet.

"In den Statuten des Verbandes vom 24. Oktober 1886 nennt §1 als Zweck des Verbandes "die Vereinigung der Vereine bezwecke das Brieftaubenwesen in Deutschland zu heben und zu einer im Falle eines Krieges dem Vaterlande nützlichen Sache heranzubilden". Insbesondere sollten Beziehungen zum Königlich Preußischen Kriegs-Ministerium unterhalten werden. Desweiteren verpflichtete man die Mitglieder der verbandsangehörigen Vereine ihre Tauben im Kriegsfall dem Staate zur Verfügung zu stellen."(1)

1888 wird der deutsche Kaiser Schirmherr des Verbandes deutscher Brieftaubenliebhaber-Vereine und damit waren diese Tiere ab sofort für den militärischen Einsatz vorgesehen.
Es folgten verstärkt Dressurübungen über Land und ab 1893 auch über See für die Tauben.

"Im Jahr 1894 verordnete Kaiser Wilhelm dann unter Beteiligung und nach Zustimmung des Reichtags und des Bundestags das "Gesetz, betreffend den Schutz der Brieftauben und den Brieftaubenverkehr im Kriege".(2)

So wurden auch Brieftauben von militärischen Schiffen gestartet. Wie an Land, war es auch hier so, dass die Tauben häufig das letzte Mittel waren, um Nachrichten zu übermitteln. Wenn die Funk- oder Telegrafentechnik ausfiel, griff man zum letzten Mittel, die Brieftaube.
"Teilweise wurden Brieftauben aber eben auch eingesetzt, wenn der Funk wahrscheinlich abgehört wurde und der Inhalt der Nachricht geheim bleiben sollte."(3)

Im 1. Weltkrieg wurden schätzungsweise bis zu 100.000 Brieftauben zur Nachrichtenübermittlung eingesetzt. Ihre Erfolgsrate bei der überbringung von Nachrichten lag bei ungefähr 95 Prozent. Zum Transport einer Botschaft muss eine Brieftaube von ihrem Heimatschlag an den Abflugort gebracht werden, wo sie bis zu ihrem Einsatz festgesetzt wird. Die Nachricht wird auf einem zusammengerollten Zettel in einem Behältnis am Fuß oder Rücken der Taube befestigt. Nach dem Auflass fliegt sie zu ihrem Heimatschlag zurück, wo die von ihr mitgebrachte Botschaft in Empfang genommen werden kann. Dazu wurden in den wichtigsten Seeflugstationen je ein Taubenschlag errichtet, um das Training der Tauben mit den Flugzeugen sicher gestellt.
Wenn man aber denkt, dass man einfach eine Brieftaube von einem zum anderen Ort verlegen kann und erwartet, dass sie diesen Heimatschlag auf Anhieb wiederfindet, der irrt. Es ist ein Entwicklungsprozess, der vom Jungtier bis zum "Nachrichtenträger" durchlebt werden muss.


Brieftaube mit Nachricht am Bein(4)


Wenn die Jungtiere nach etwa vier Wochen selbstständig werden, folgen die ersten übungsflüge.
Sobald diese ersten Flüge geglückt sind, und die jungen Tauben die nähere Umgebung ihres Taubenschlags erkundet haben, fliegen sie in Gemeinschaft im Schwarm oft bis zu mehreren Stunden am Stück. Das ist den Tieren angeboren und auch die Voraussetzung ihres kärperlichen und geistigen Aufbaus für ihre zukünftigen Aufgaben.(5)


So in etwa könnte ein Taubenschlag auf den Seeflugstationen ausgesehen haben


Bei den Seefliegern der Stationen Stralsund, Wiek und Bug erfolgte das Training mit den Tauben ab 1916 regelmäßig. So wurden bei Aufklärungs- und Trainingsflügen immer mehrere Tauben mitgeführt und wenn eine Meldung erforderlich war, wurde diese durch den Beobachter notiert und eine Taube damit auf die Heimreise geschickt. Es war auch eine Art Gewöhnungstrainings für die Tiere, die ja bei Fluggeschwindigkeiten zwischen 100 und 130 km/h ausgesetzt wurden. Wie der Einsatz aus einem fliegenden Flugzeug erfolgte, ist bisher nicht schriftlich nachgewiesen. Zu vermuten ist ein Start durch einen Wurf der Taube nach und hinten, um ohne Verletzung in die Luft zu kommen.
Im Zusammenhang mit Wasserungen gibt es mehrere Beispiele, weil es sich dabei um Notfälle handelte und man hoffte auf diesem Weg Rettung rufen zu können, was auch meist gelang.

Die Brieftauben für den Einsatz über Wasser wurden deshalb speziell dazu ausgebildet, weil sie von Natur aus ungern über Wasser fliegen. Dadurch kam es auch zu Verlusten, weil die Tiere bei langen Strecken über Wasser keine Möglichkeiten einer Zwischenrast hatten. Auch die schnell wechselnden Wetterbedingungen über See hatten auf die Leistungen der Tiere ihren negativen Einfluss. Es sei denn, auf ihrer Flugstrecke fuhr zufällig ein Schiff, was sie als Zwischenstopp nutzen konnten. Aber die Entfernungen im Ostseebereich waren nicht so groß, dass Erholungspausen für die Tauben erforderlich waren. Im Nordsee- und Atlantikbereich sah das ganz anders aus.

Beispiele für Trainingsflüge
17.06.1916 Flz. Nr 506 (FF 33E) mit Fl.Mst.(F) Albrecht Behrend und Ob.Mtr.(B) Hartz
10.10 Uhr Startet in Stralsund mit 18 Tauben und setzt diese unterwegs ab.
10.45 Uhr Notwasserung wegen defekten Motors vor Altefähr.


20.07.1916 Flz. Nr. 686 (FF 33H) mit Fl. Mst.(F) Behrend und Ob.Mtr.(B) Hartz
11.00 Uhr Start in Stralsund zum Trainingsflug mit 6 Tauben, Landung um 11.30 Uhr in Stralsund.


1894 stiftete Kaiser und König Wilhelm II. die Medaille für Verdienste um das Marine-Brieftaubenwesen in drei Stufen, Bronze, Silber und Gold.


Bronze(6)



Gold(7)



Urkunde für den Züchter(8)


Wir können also als Fazit schreiben, dass die Brieftaube eine nicht unbedeutende Rolle als Nachrichtenübermittelung im 1. Weltkrieg gespielt hat. Den Leistungen der Tiere zu Ehren hat man an verschiedenen Orten Denkmale aufgestellt, so zum Beispiel in Lille und Berlin Spandau.





Gestellte Fotos zum Taubeneinsatz von englischen Wasserflugzeugen(9)


(1) https://www.brieftauben-historiker.de/brieftaubensport/der-einsatz-von-brieftauben-im-militär/
(2) ebenda
(3) ebenda
(4) Foto: Austrian National Library, Kriegspressequartier Alben 1914 - 1918, Image ID 15654496
(5) Informationen zur Entwicklung von Brieftauben erhalten von Karl-Heinz Holldorf, Dranske
(6) Aus der Sammlung von Stefan Ommert, mit freundlicher Genehmigung
(7) Wikipedia (8) https://www.brieftauben-historiker.de/diplome/, mit freundlicher Genehmigung
(9) https://www.iwm.org.uk/collections/item/object/205253090 und object/205253093